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Zahlen bitte...
oder: Wie ich meine Liebe zu Frankreich entdeckte

Irgendwann, die Nächte waren noch lang und die Tage kurz, entdeckte ich meine Liebe zu Paris.

Nun, vielleicht war es nicht ganz so einfach. Nennen wir es einfach so: Mit einem Male begann ich die Franzosen zu verstehen. Die Franzosen wohlgemerkt, mit den Parisern dauerte es etwas länger. Aber das geht den Franzosen wohl genauso.

Nun, ich stand in einem Carrefour an einer Supermarktkasse. Nun muss man bemerken, dass die Franzosen in ihrem Bestreben, in allen Dingen nach Großartigkeit zu streben, vor einigen Jahren diese Supermarktkette erfunden haben müssen.

Jedenfalls ist ein Carrefour groß, in etwa ein Toom-Markt oder Walmart². Und er hat neunzig Kassen die, deutsche Supermarkt-Manager aufgepasst, fast alle immer besetzt sind. Dennoch bilden sich lange Schlangen vor diesen Kassen.

Den Grund dafür bemerkte ich also an eben diesem kühlen Februar-Abend. Vor mir legt eine Dame langsam die Waren, die sie zu erwerben gedenkt, auf das Fließband. Die Kassiererin zieht die Waren durch den Scanner, in etwa 0,2 Aldis (1 Aldi = Geschwindigkeit, mit der die Kassiererinnen bei Aldi die Waren durch den Scanner schieben, ohne allerdings irgendeine Form des Auffangens gewährleisten zu können). Die Kundin packt ein. Ein bißchen in die erste Tüte, ein wenig in die Handtasche.

Doch, *huch* da klingelt das Handy.

Da muss man rangehen. Das muss man. Ein echter Franzose nimmt schließlich auch einen Anruf an, wenn es überhaupt keinen Anruf gibt. Und wenn es nur darum geht, Mutter anzurufen um zu fragen warum sie nicht anruft.

Jedenfalls nimmt die Dame den Anruf an. Und telefoniert.

Die Kassiererin schaut ihr seelenruhig beim telefonieren zu. Ist ja auch interessant, irgendwie.

In diesem Augenblick bäumte sich ein letztes Mal meine Minimal/Aldi/Toom/Lidl-geplagte Seele auf. Abgehärtet und aberichtet durch Jahre scharfer und missbilligender Blicke von Kassiererinnen und nachfolgenden Kunden, weil man nicht bereits das abgezählte Geld bereithält, während man einen Teil der erworbenen Ware in den Einkaufswagen wirft, einen anderen sauber und nach Gewicht und Zerbrechlichkeitsfaktor sortiert in teure (- und dennoch mit schauderhaften Werbesymbolen bedruckte) Plastiktüten versenkt. Ja, ein letztes Zucken meines teutonischen Ichs.

Doch dann, in mir, ein zart aufkeimendes Pflänzchen liberal-europäischer Frankophilisierung.

Dann war es geschehen.

Irgendwie.

Auf einmal war ich ein bißchen französisch geworden. Und lächelte der Dame beim Telefonieren zu.

Just in diesem Augenblick klingelte mein Handy. Natürlich ging ich dran.

Das macht man hier ja so.